Zeitzeugen am EMG: NS-Geschichte aus erster Hand

Brygida Czekanowska (l.) berichtet den EMG-Schülern von ihrer Zeit im Konzentrationslager Ravensbrück

Brygida Czekanowska (l.) berichtet den EMG-Schülern von ihrer Zeit im Konzentrationslager Ravensbrück

27.05.10 - Auch der Umweg über die Übersetzerin kann die Wucht von Andrzej Branecki Erzählung kaum mildern. Der 80-jährige Pole berichtet von Hungersnot, Misshandlungen, Todesmärschen und Erschießungen während seiner Gefangenschaft im Konzentrationslager Dachau. Sein Publikum sind Schüler der Jahrgangsstufe 11 des Ernst-Mach-Gymnasiums. Sie kannten den Terror des NS-Regimes bislang nur aus Schulbüchern.

Branecki ist einer von fünf Überlebenden des Naziterrors, die den Elftklässlern im Rahmen des Zeitzeugenprogramms von ihren Erlebnissen aus der NS-Zeit berichten. Jeder der zwei Männer und drei Frauen hat eine andere Geschichte, die Berichte über ihre persönliche Aufarbeitung klingen aber ähnlich.

„Anfangs wollte ich nichts mit Deutschland oder den Deutschen zu tun haben. Auch der Klang der Sprache war mir lange verhasst“, erzählt Brygida Czekanowska in sehr gutem Deutsch. Mittlerweile hat die 82 Jahre alte Danzigerin ihren Frieden mit dem Land ihrer ehemaligen Peiniger gemacht. „Wir haben hier eine Mission. Wir müssen den jungen Menschen von dem berichten, was passiert ist. Nicht um anzuklagen, sondern um sicherzustellen, dass es nicht wieder passiert“, erklärt sie.

An diesem Donnerstag sind es deutlich über 100 Schüler, die mit den oft Grauen erregenden Erzählungen aus den deutschen Konzentrationslagern konfrontiert werden. „Für mich war der Zeitzeugenbesuch ein sehr wertvolles Erlebnis“, sagt der 16 Jahre alte Alexander. „Geschichtsbücher werden meist von unbeteiligten Dritten geschrieben, hier sind heute Menschen an unserer Schule zu Gast, die persönlich von ihren Erlebnissen aus der Zeit erzählen.“

Einschätzungen wie diese ermutigen Anne Präder, die das Projekt von EMG-Seite koordiniert. Die Englisch- und Religionslehrerin führt das Zeitzeugenprogramm mit Hilfe des Maximilian-Kolbe-Werks bereits zum dritten Mal in der Bonnstraße durch. „Wir erreichen natürlich nicht alle Schüler. Insgesamt sind die Rückmeldungen aber vorwiegend positiv“, sagt Präder, die auch im nächsten Jahr NS-Zeitzeugen an das EMG einladen möchte.

Möglicherweise gibt es dann auch ein Wiedersehen mit Brygida Czekanowska, die ihre Mission noch nicht am Ende sieht: „Ich gehe so lange in die Schulen und erzähle meine Geschichte, wie der liebe Gott mich lässt.“

Gregor Evers