Krimi, Science-Fiction oder Gedankenspiel im Kleid der Komödie?
EF beim Dürrenmatt-Klassiker„Die Physiker“
Voss und Newton im Horizont-Theater
16.02.2014 - Drei verrückte Physiker und drei tote Krankenschwestern im Sanatorium „Les Cerisiers“ (übersetzt: „Die Kirschbäume“) von Fräulein Dr. Mathilde von Zahnd. Ein Inspektor versteht die Welt nicht mehr: Wer ist wahnsinnig, wer genial, wer beides? Alles scheint relativ. Und dabei schwebt die „Weltformel“, der Schlüssel zur Erklärung aller Geheimnisse des Universums, im Raum.
Auf dieser Situation basiert Friedrich Dürrenmatts Komödie „Die Physiker“, mit der sich die Deutschkurse der Einführungsphase beschäftigt haben. Entstanden unter dem Eindruck des immer bedrohlicheren Wettrüstens während der Zeit des Kalten Krieges und der Bedrohung durch einen atomaren Weltkrieg erweist sich das Stück auch heute noch durchaus als aktuell. Die Frage nach der ethischen und sozialen Verantwortung des Wissenschaftlers bzw. der Wissenschaft stellt sich nämlich auch in der Gegenwart: Einsatz chemischer und biologischer Kampfmittel, Nutzung von Atomenergie, gentechnologische Manipulation von Lebensmitteln, embryonale Stammzellenforschung sind nur Beispiele für aktuelle Übertragungsmöglichkeiten. Zudem ist auch die Darstellung der im Stück geäußerten Sozialkritik in Komödienform wohl generationsübergreifend ansprechend.
Zum Abschluss dieser Unterrichtsreihe stand für uns Schüler und die Deutschlehrer/innen der EF ein Besuch im Theater an.
In zwei Gruppen aufgeteilt besuchten wir nacheinander die Inszenierung der „Physiker“ im Kölner Horizont Theater. Ein Theater, das mit seinen 99 Sitzplätzen wohl zu den kleineren Spielstätten der Kölner Theaterszene zählt. Nach kurzer Wartezeit und einer freundlichen Begrüßung ging es für uns in den Vorstellungsraum. Doch ein wenig überrascht darüber, wie klein der Raum war und wie unorthodox seine Aufteilung – als Publikum rahmten wir die Bühne von drei Seiten ein - warteten wir wenige Minuten gespannt auf den Beginn der Vorstellung.
Dann betraten drei in weiß gekleidete Männer die Bühne, welche lediglich mit drei rollenden Hockern, einem Tisch und einer Flasche Cognac ausgestattete war. Die drei Physiker: Albert Einstein, Isaac Newton und Wilhelm Möbius. Die nächste Überraschung ergab sich, als Inspektor Voss auftrat, um die Ermittlungen eines erneuten Mordes in dem Sanatorium aufzunehmen. Der Inspektor erwies sich als Inspektorin. Doch die leichte Irritation, die durch diese Besetzung aufkam, verflog schnell, denn die Schauspielerin war wirklich überzeugend. Mit rauchiger Stimme machte sie sich an die Aufklärung. Neben dieser Besetzungsvariante ergab sich noch eine weitere Abwandlung der Textvorlage: In der Dramenszene, in welcher Möbius‘ Familie sich von ihm verabschiedet, wurde der Text allein von einer der Krankenschwestern in eher monotoner Form vorgetragen. Ein Aspekt, der uns auch nach dem Stück noch Diskussionsstoff lieferte: War der Mangel an Schauspielern Grund für diese Abwandlung oder hatte man sich bewusst dafür entschieden, um das vermeintliche Auftreten der Familie als Therapiemaßnahme für den „Geisteskranken“ darzustellen?
Außerdem traten im Stück keine Pfleger auf, welche die Physiker in der dramatischen Schlussszene entwaffneten. Stattdessen waren die Pistolen laut der Sanatoriumsleiterin lediglich mit Platzpatronen geladen worden, was den Aufstand der Physiker ebenso zwecklos machte.
Diese Abweichungen von der Dramenvorlage wirkten sich jedoch auf keinen Fall negativ auf die Inszenierung aus. Im Gegenteil: für uns textgewohnte Schüler war es beeindruckend, wie lebendig sich die Figuren und ihre Dialoge in der Aufführung erwiesen. Es wurde geschrien, Mimik und Gestik untermalten das Gesagte oder Gemeinte, das Publikum wurde einbezogen und alles wirkte so lebendig, wie es das – zu Beginn doch eher als kümmerlich beurteilte – Bühnenbild nicht vermuten ließ.
Rundherum „sehr cool!“ und etwas, was auf jeden Fall Lust auf Theater macht!
Wir hoffen für die Folgestufen, dass sie auch in diesen Genuss kommen werden.
Pauline Sahre/Paula Mengelkamp
